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Schweizweite Opferzahlen 2022

Frau steht vor eine Jalousine und schaut nach draussen

Am 18. Oktober, dem Europäischen Tag gegen Menschenhandel präsentierte die Plateforme Traite die aktuellsten schweizweiten Zahlen zu Opfer von Menschenhandel. Die Statistik der Plateforme Traite bezieht sich auf Personen, die die vier Fachstellen direkt beraten haben und als Opfer von Menschenhandel identifizieren konnten.

2022: 177 Opfer von Menschenhandel neu identifiziert

Im Laufe des Jahres 2022 haben sich 324 Personen hilfesuchend an die vier Fachstellen gewandt oder wurden von Partnerorganisationen oder Behörden an diese verwiesen, weil ein Verdacht auf Menschenhandel bestand. Von diesen Personen konnten 177 als Opfer von Menschenhandel identifiziert werden. Die restlichen Fälle wurden Opfer von anderen Formen von Gewalt und Missbrauch oder konnten nicht abschliessend abgeklärt werden.

«Noch nie haben sich so viele mutmassliche Opfer von Menschenhandel an die spezialisierten Opferberatungsstellen der Plateforme Traite gewandt.»

Anna Schmid, Koordinatorin der Plateforme Traite

Im Jahr 2022 wurden insgesamt 450 Opfer von Menschenhandel von den Beratungsstellen begleitet und beraten1.

Ein grosser Teil der Betroffenen sind Frauen, aber die Zahl der Männer, die als Opfer von Menschenhandel identifiziert werden, nimmt stetig zu (2019: 11%, 2020: 14%, 2021: 19%, 2022: 23%).

Es ist schwierig, ein typisches Profil einer Person zu erstellen, die Opfer von Menschenhandel geworden ist. Die Ausbeutungsformen und Zwangssituationen, die die Opfer erlebten, sowie ihre Herkunft und ihr Lebensweg sind sehr unterschiedlich. Insgesamt kamen die Opfer aus 60 verschiedenen Ländern. Die häufigsten Herkunftsländer der neu identifizierten Opfer waren Ungarn, Brasilien, Kolumbien und Rumänien. 36% der Opfer stammen aus afrikanischen, 32% aus europäischen, 16% aus lateinamerikanischen und 16% aus asiatischen Ländern.

Die Identifizierung und der Zugang zu Schutz für Opfer von Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft bleiben eine grosse Herausforderung

Die spezialisierten Fachstellen identifizieren immer häufiger Opfer von Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft: Von allen neu identifizierten Opfern waren es 2021 33% und 2022 44%. Diese Zahlen beinhalten auch die Opfer, die zu illegalen Handlungen wie Diebstahl oder Drogenschmuggel gezwungen wurden. Die Arbeitsausbeutung fand vor allem in Privathaushalten, in der Gastronomie und im Baugewerbe statt.

Die Zunahme an aufgedeckten Fällen von Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft ist auch das Ergebnis der Sensibilisierungsarbeit, die die Fachstellen der Plateforme Traite bei den verschiedenen Akteuren wie Gewerkschaften, Arbeitsinspektoren usw. betreiben. Dennoch braucht es unbedingt weitere Sensibilisierungsmassnahmen: Denn Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft wird selten gerichtlich verurteilt und für die Opfer ist es schwierig, Zugang zu einer sicheren Aufenthaltsbewilligung sowie zu Schutz und zu Rechten zu erhalten, die ihnen die Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Menschenhandel eigentlich gewährt.

Wie die Schweiz diese Konvention umsetzt, wurde diesen Sommer durch die Expert*innengruppe des Europarats (GRETA) geprüft2. Die Plateforme Traite hat einen Schattenbericht verfasst, der die Erfahrungen von Opferschutzorganisationen wiedergibt und die grössten Probleme im Opferschutz von Betroffenen von Menschenhandel darlegt.

«Für eine effektive Bekämpfung von Menschenhandel müssen Opfer als solche erkannt werden. Ausserdem brauchen sie Zugang zu spezialisierter Begleitung, angemessener und sicherer Unterkunft sowie einer sicheren Aufenthaltsbewilligung. Das muss schweizweit gewährt werden.»

Mimoza Kokollari, Referentin für Bildung und Politik bei ASTRÉE und Mitverfasserin des Schattenberichts der Plateforme Traite

«Im Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel, der im Jahr 2022 verabschiedet wurde, sind verschiedene Massnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft enthalten. Damit diese umgesetzt werden können, müssen zwingend ausreichende Ressourcen bereitgestellt werden.»

Anna Schmid, Koordinatorin der Plateforme Traite

1 Neue Opfer plus Opfer aus den vorherigen Jahren, die immer noch Betreuungsbedarf haben.
2 Empfehlungen an die Schweiz werden im Frühling 2024 vom Europarat verabschiedet.

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