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Nationalrat lehnt Sexkaufverbot ab

Wir begrüssen es sehr, dass der Nationalrat entschieden hat von einer Einführung eines Sexkaufverbots abzusehen. Der Nationalrat hat mit einer grossen Mehrheit von 172 zu 11 Stimmen (94%) gegen eine Motion gestimmt, die das gefordert hat. Der Nationalrat hat damit ein klares Zeichen gegen die Stigmatisierung von Sexarbeitenden gesetzt. Die Plateforme Traite unterstützte einen Brief von Procore, dem nationale Netzwerk zur Verteidigung der Interessen von Sexarbeitenden, der an alle Parlamentarier*innen geschickt wurde. Folgende Argumente haben wir vorgebracht:

Negative Auswirkungen eines Sexarbeits-Verbots

Erfahrungen und Berichte zeigen: ein Sexkaufverbot bietet keinen verbesserten Schutz gegen sexualisierte Gewalt. Im Gegenteil: Ein Sexkaufverbot drängt das Sexgewerbe in die Illegalität, schadet den Sexarbeitenden und führt zu einer Verschlechterung der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Dies belegen Untersuchungen aus Ländern mit einem Sexkaufverbot, beispielsweise der Bericht von Amnesty International zum Sexkaufverbot in Irland: „Sexkaufverbot gefährdet die Sicherheit von Sexarbeiter*innen“ oder ein Bericht von Medicins du Monde zu den Auswirkungen des Schweden-Modells in Frankreich. Auch Sexarbeiter*innen selbst sind gegen ein Sexkaufverbot. Ein Sexkaufverbot schützt nicht die Sexarbeiter*innen, sondern entzieht ihnen ihre Existenzgrundlage. Dies zeigt auch das ProCoRe Magazin SEXARBEIT „Die Kriminalisierung der Sexarbeit“.

Erfahrungen aus der Pandemie

Die gravierenden Konsequenzen von Sexarbeits-Verboten hat nicht zuletzt die Pandemie aufgezeigt. Während temporären Verboten im Sexgewerbe nahmen sexualisierte Gewalt, ungewollte Schwangerschaften und sexuell übertragbare Krankheiten zu (dies zeigte der ProCoRe Expert*innenbericht zu Covid-19 Massnahmen und Sexarbeit in der Schweiz). Ausserdem erschweren Verbote den Zugang der Beratungsstellen zu den Sexarbeiter*innen. Diese Erfahrungen zeigen, dass legale Arbeitsbedingungen und ein möglichst niederschwelliger Zugang zu Informationen und Beratung den besten Schutz für Sexarbeitende bieten.

Keine Vermischung von Menschenhandel und Sexarbeit

Wesentlich für die Bekämpfung von Ausbeutung, Gewalt oder Menschenhandel ist die Unterscheidung zwischen Sexarbeit und Menschenhandel. Während Sexarbeit eine in der Schweiz legale, selbstbestimmte Form der Arbeit ist, ist Menschenhandel verboten, ein schwerwiegendes Verbrechen und eine Menschenrechtsverletzung. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen sprechen sich deshalb für die Entkriminalisierung von Sexarbeit aus, weil nur die Entkriminalisierung der Sexarbeit den Zugang zu (Menschen-)Rechten ermöglicht.

Voreilige unüberlegte Verbote aufgrund moralisierender Panikmache sind kontraproduktiv. Sexarbeiter*innen brauchen legale, gute Arbeitsbedingungen, Opfer von Menschenhandel brauchen Schutz und Unterstützung. Basisorganisationen leisten bereits heute Gesundheitsprävention und wichtige Beratung sowie Unterstützung, auch beim Bedürfnis eines Jobwechsels (sog. Aus- oder Umstiegsprogramme), und werden vom Bund und Kantonen für diese Arbeit unterstützt. Weitere Massnahmen in diesem Bereich sollten unabhängig von einem Sexkaufverbot diskutiert und vorangebracht werden. 

Weitere Informationen finden sich auch in einer Stellungnahme von Procore „Freierbestrafung ist keine Lösung“ vom September 2020.

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